Künstliche Intelligenz, da erzählen wir Ihnen sicher nichts Neues, ist gerade in aller Munde und Browserfenster. Im Kinderzimmer schreibt sie die Hausaufgaben, in der Küche liefert sie Rezepte und im Büro beantwortet sie leidige E-Mails. Doch wie sieht es in Kommunikationsagenturen aus? Ersetzt KI die Kreativen oder ist sie nur der Taschenrechner für Text, Art und Strategie? Dazu haben sich David Bumiller, Senior Text & Konzeption, und Dieter Götz, Head of Digital Concept, Gedanken gemacht – oder KI sich Gedanken machen lassen, wir wissen es nicht so genau.
Ja, ChatGPT schreibt verblüffend gute Texte. Jasper erst recht. Und die Bilder aus den Federn von DALL-E, Midjourney oder Stable Diffusion sind teilweise beängstigend gut – sofern sie Menschen mit der korrekten Fingeranzahl zeigen. Doch was heißt das jetzt für uns Kreative? Flankt AutoGPT demnächst Kampagnen raus, die Herzen, Geldbörsen und Preise am Fließband gewinnen? Ich bin mir sicher: Nein. Das hat mehrere Gründe – genauer gesagt: 5, die ich kurz anschneiden möchte:
KI ist nur so kreativ wie ihr “Prompt Engineer”. Auf LinkedIn gibt es sie bereits, in der Twitter-AI-Bubble sowieso: die Prompt Engineers. Also Menschen, die, zumindest ihrer Meinung nach, extrem gut „prompten“, sprich: KI bestmöglich füttern. Ich gehe davon aus, dass diese Menschen kreativ sind. Sonst wären wir alle Prompt Engineers. Also gilt selbst bei KI die alte Weisheit, dass Maschinen nur so gut sind wie ihre Bedienenden. Erschwerend hinzu kommt, dass es, nur wenige Monate nachdem der HypetrAIn den digitalen Bahnhof verlassen hat, bereits Tausende Tools gibt. Wer soll da denn wissen, welches Werkzeug jetzt das richtige ist? Klar, die Prompt Engineers. Aber was machen wir Normalsterblichen? Wahrscheinlich ChatGPT fragen. Und wenn wir schon dabei sind, hätten wir gleich nochmal eine Frage.
Wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Jasper und Co. haben unendliche Mengen an IP (Intellectual Property) verschlungen, um dort zu sein, wo sie heute sind. Einfach so, ohne groß zu fragen. Aber was macht jetzt ein Klebestifthersteller, wenn ihm die AI „Just glue it!“ als neuen Claim vorschlägt. (Falls Uhu, Pattex oder Tesa mitlesen: Das ist meine Idee). Verantwortung für die generierten Inhalte übernimmt in der Grauzone des Urheberrechts nämlich niemand. Das gilt auch für, auf Basis realer Kunstwerke generierter, AI-Art. Bei privaten Spielereien ist das vielleicht unbedenklich, aber für die Markenarbeit auf echten Kunden kann das Konsequenzen haben – Stichwort: Buyout.
Die Grenzen in der täglichen Arbeit: Ob Produktlaunch oder Pitch: Beinahe täglich arbeiten Kreative mit vertraulichen Informationen. Mit der KI teilen sollte ich die wahrscheinlich eher weniger. Dass viele One-Man-Shows auf Twitter trotzdem auf ChatGPT schwören, ist klar. Blogs zu generischen Themen schreibt das Tool in Windeseile. Aber eine Kampagne für die neue Cola mit Spargel-Geschmack muss ich mir dann wohl selbst ausdenken, wenn ich mich an den NDA halten möchte (Spark us spring: Cola Asparagus! Oder so ähnlich). Ein weiteres Thema: Was, wenn ein Konkurrent auch auf Spargel-Cola setzt und dieselbe KI nutzt. Kommt dann die gleiche Kampagne zweimal raus? Heißt für Kreative: Unverfängliche Prompts zum Ideen-Sparring in Schrift und Bild sind möglich, aber nur bis zu einer gewissen Detaildichte. Dann wird es, zumindest aktuell, zum einen inhaltlich schnell dünn und austauschbar. Zum anderen wird es rechtlich wieder grau bis rot. Rot ist an der Stelle ein gutes Stichwort.
Satte 700.000 USD Stromkosten soll ChatGPT am Tag verschlingen. Irgendwann müssen die Unternehmen diese Kosten auf die User umlegen, wenn sie mit ihrer Technologie Geld verdienen möchten. Und ich gehe stark davon aus, dass das eines der Ziele ist. Dann kostet jede KI – oder zumindest jede Premiumversion. Die werde ich wohl brauchen, um wirklich kreative Ergebnisse zu erhalten. Dann müssen, mal ganz abgesehen vom Nachhaltigkeitsaspekt des Stromverbrauchs, Kosten abgewogen werden: Was ist preiswerter? High-Level-KI, die gute Texte schreibt, oder High-Level-Textkraft, die gute Texte schreibt und zum Geburtstag Butterbrezeln mitbringt? Womit wir bei der zentralen Frage wären.
Wer hat überhaupt ein Interesse daran, massenhaft Kreative zu ersetzen? So viel ist klar: die Kreativen nicht. Sie gehen ihrer Arbeit schließlich gerne nach. Einen SEO-Text von ChatGPT vorschreiben zu lassen und Bild-Inspo aus Midjourney zu ziehen, steht dem ja nicht im Wege. Und falls es den Nicht-Kreativen dann doch irgendwann gelungen ist, uns alle zu ersetzen: Wer promptet dann kreativ? Vielleicht ja eine KI. Und falls sie es doch nicht kann, stellen wir eben wieder ein paar Kreative ein. Aber nicht zu viele!
Zum Abschluss noch ein Zitat:
„KI ist in der Lage, bestimmte Aspekte der Kreativität zu simulieren, wie z. B. das Erstellen von Musik oder Bildern. Aber wenn es darum geht, Texte zu schreiben, die wirklich zum Leser sprechen, gibt es immer noch keinen Ersatz für menschliche Kreativität und Empathie.“ Das hat nicht irgendjemand gesagt, sondern der einzig wahre ChatGPT. Und der wird’s ja wohl wissen.
Was ich weiß: KI als Spielerei abzutun, ist der falsche Weg. Auch stolze Kreative können die Tools gewinnbringend für sich selbst und Kunden einsetzen. Aber, dass KI uns alle irgendwann ersetzt, kann ich mir bei aller Liebe nicht vorstellen.
Wie bei vorangegangenen Innovationen können Institutionen und Organisationen, aber auch unsere Werte und Normen nicht mit dem technologischen Fortschritt mithalten. Somit entstehen Ungleichgewichte und Fehlanpassungen innerhalb einer Gesellschaft, die zu Veränderungen der Sozialstruktur führen können – bis hin zu offenen Konflikten. Diesen Cultural Lag hat William Ogburn 1922 in seinem Werk „On Culture and Social Change“ beschrieben. Die Geschwindigkeit der Innovationen nimmt weiterhin rasant zu, sodass wir gar nicht mehr unterscheiden können, wo wir uns eigentlich befinden.
Trotzdem reagieren wir darauf. Ein Beispiel dafür ist die DSGVO. Die gegenwärtige Fassung ist sicherlich ausbaufähig. Es werden nun aber die Beschlüsse des Digital Services Act Schritt für Schritt umgesetzt. Ende April wurden 19 Plattformen und Suchmaschinen benannt, die künftig verschärften Aufsichtspflichten unterliegen. Auch wenn uns diese Prozesse sehr langsam und träge erscheinen, werden die normativen Änderungen eintreten.
Was verändert sich durch den Einsatz von KI?
Frühere technologische Fortschritte wie die Einführung von Computern, Automatisierung und Robotik hatten vor allem das Ziel, menschliche Arbeit durch die Übernahme von einfachen und sich wiederholenden Aufgaben zu erleichtern. Diese Fortschritte basierten auf automatisierten Prozessen, die durch explizite Regeln und manuell geschriebene Computerprogramme gesteuert wurden. Künstliche Intelligenz (KI) hingegen unterscheidet sich von diesen Fortschritten, da sie selbstlernend ist und eigenständig Verbindungen herstellen kann. Auf diese Weise kann KI uns auch bei anspruchsvolleren und komplexeren Aufgaben unterstützen, die oft nicht explizit und systematisch beschrieben werden können. Dadurch übernimmt KI bereits heute mehr Aufgaben als frühere Technologien und wird in Zukunft noch stärkeren Einfluss auf Berufe und Branchen haben. Wie Jens Polominski, OMT-Experte und Tech-Influencer, auf der OMR 2023 ausgedrückt hat: “AI won’t take your job, a human with AI will.”
Somit stellt sich die Frage: Wie wird sich mein Bereich – die Konzeption und Entwicklung von digitalen Nutzererlebnissen – in den nächsten fünf Jahren verändern? Neben den bekannten Anwendungsgebieten bei der Bild- und Textentwicklung, steht der gesamte Entwicklungsprozess einer Website, eines Portals, einer Anwendung etc. im Fokus. Wie wird zukünftig das Design in HTML übertragen und in ein CMS integriert?
Bereits jetzt bieten Baukastensysteme wie Jimdo, Wix und Co. KI-basierte Lösungen für einen automatischen Erstellungsprozess an. Für kleinere Websites eignen sich diese Systeme sicherlich, für komplexe Informationsarchitekturen, die wir meistens entwickeln, reichen sie noch nicht aus. Dies ist aber nur eine Frage der Zeit. Der komplette Design- und Entwicklungsprozess wird in Zukunft KI-gesteuert erstellt werden. Bereits jetzt gibt es Tools, die es ermöglichen, Reinzeichnungen aus Figma in HTML zu übertragen (z.B. locofy.ai, quest.ai, durable.co); Software die Software schreiben wird.
Ähnliches lässt sich für die Entwicklung von E-Mail-Marketing, Social-Media-Kampagnen oder Performance-Marketing-Kampagnen vorhersagen. Optimalerweise entstehen Kampagnen aus intensiven Datenanalysen, die zukünftig ebenfalls KI-gesteuert durchgeführt werden. Bis dato waren wir vor allem mit der Auswertung vor und nach einer Kampagne sowie deren Erstellung beschäftigt. Die Technik stand dabei im Vordergrund.
Was werden wir also in Zukunft machen? Oder: mehr Zeit für Kreativität.
Insgesamt wird mehr Zeit für die eigentliche Leistung, den kreativen Schöpfungsprozess übrigbleiben. Bis dato waren wir oft mit den beschriebenen operativen Aspekten unserer Arbeit beschäftigt. Mit der Einführung von KI-gesteuerten Prozessen wird es uns möglich sein, diese Aufgaben effizienter und schneller zu erledigen. Dadurch haben wir mehr Zeit und Raum für den eigentlichen kreativen Prozess. Und können uns stärker auf die strategische Planung und Umsetzung von kreativen Ideen konzentrieren. Letztendlich bleibt menschliche Interaktion unersetzlich und für viele Menschen unverzichtbar. Das ist zumindest meine Zuversicht.
Wir begeistern Menschen für Marken.
Mit nachweislichen Erfolgen.