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Künstliche Ver­knap­pung oder
„Willst du gelten, mach dich selten.“
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Künstliche Verknappung oder „Willst du gelten, mach dich selten.“

Haben Sie schon gehört? Das Überraschungsei geht in die Sommerpause. Das Überraschungsei! Die Piemont-Kirsche, ja. Immer schon. Aber das Überraschungsei? Am 15. Mai schon. Wenn das mal keine künstliche Verknappung ist, was dann? Ferrero sagt, das sei die Hitze. Aber wenn es die Hitze ist, warum werden die Überraschungseier dann für gewöhnlich Mitte August wieder eingeführt, wenn der Sommer am heißesten und in Zeiten des Klimawandels noch lange nicht vorbei ist?

Gut, wir wollen hier Ferreros Begründung nicht ernsthaft in Zweifel ziehen und auch nicht infrage stellen, ob die Verknappung jetzt künstlich oder eben doch klimatisch geboten ist. Eine Verknappung ist es allemal. Und sie weckt etwas in uns, wir wissen nicht was, wir wissen nicht wie, aber es wirkt: nämlich die Begehrlichkeit. Und ist sie erst einmal geweckt, ist sie nicht einfach wach, sie wächst. Das haben wir erst jüngst bei einem ganz anderen Produkt gesehen – bei Klopapier.

Künstliche Verknappung führt zu den seltsamsten Auswüchsen

Erinnern Sie sich noch? Oder haben Sie es bereits verdrängt? Den Run aufs Klopapier – irgendwann, es muss eine Ewigkeit her sein, vielleicht war es März, vielleicht noch im April – als Kunden in der Schlange an der Kasse verdeckt Szenen mit Menschen filmten, die sich ums Klopapier schlugen, die den ganzen Einkaufswagen voll hatten, die mit mehreren Packungen unter den Achseln über die Straßen watschelten, straight away in die Quarantäne.

Ja, vermutlich hatten wir alle ein bisschen mehr Schiss als sonst. Wir selbst – also Sie und ich – taten das nicht, natürlich nicht. Wir kauften das Klopapier selbstverständlich nur, weil wir es gerade benötigten – und vielleicht doch auch dann einmal, als glücklicherweise gerade noch eine letzte einsame Packung im Regal lag. Aber da gab es ganz andere. Einer – so ein Bericht in der, ich weiß nicht mehr wo, ich weiß nicht mehr wann – muss ein Vermögen in Klopapier investiert haben, vermutlich um es gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Anscheinend hat das Geschäftsmodell nicht funktioniert, denn er versuchte wohl rund 4800 Rollen wieder umzutauschen. Da war die Verknappung bereits überwunden. Googeln Sie es mal. Klopapier Hamsterkauf. Sehr erhellend.

Neben dem bereits beschriebenen Fall, der sich in Australien zugetragen haben soll (nicht nur in Deutschland haben sie Klopapier gehamstert), finden sich da zahlreiche Fälle von „Klopapier-Hamsterkauf eskaliert“ über „Frau schlägt Wachmann“ bis hin zu „Klopapierkäufe erreichen wahnwitzige Dimension“. Und natürlich auch das: „Ein Psychologe erklärt, warum …” Ein paar Wochen später wiederholte sich das gleiche noch einmal bei Mundschützen.

Das Gesetz der Verknappung

Im Prinzip funktioniert die Sommerpause des Überraschungseis nach dem gleichen Schema und führt zu ähnlichen Auswüchsen, wenn auch nicht in den gleichen Ausmaßen. Aber auch hier kommt es zu Hamsterkäufen, Diebstählen und sicherlich der einen oder anderen tragischen Szene am Kassenband, wenn sich der meist unmündige Konsument auf den Boden wirft und trotz heftigen Heulens, Schreiens und Strampelns nicht zum erwünschten Ergebnis gelangt, weil es eben nicht das Herz der Eltern zu erweichen, sondern eine marktwirtschaftlich bedingte Produktionspause zu ertragen gilt.

Was hier greift, ist der Veblen-Effekt, benannt nach Thorstein Veblen, der in seinem Werk „The Theory of the Leisure Class“ bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert das Phänomen beschrieb, dass Kunden – abhängig vom Kaufverhalten anderer Konsumenten – bereit sind, für Produkte höhere Preise zu bezahlen, wenn andere sie auch wollen.

Für gewöhnlich gilt dieser Effekt vor allem für Luxusgüter, deren Besitz Ausdruck des gehobenen Status des Käufers ist. Für die Guccis und Versaces, die Lamborghinis, Bentleys, Maseratis. Doch in Zeiten größter Not gilt es eben auch für trocken Brot. Es gilt vielleicht gerade für typisch inferiore Produkte wie eben Klopapier. Da zeigt sich, wie sich – ich bitte um Verzeihung für die drastische Ausdrucksweise – mit Scheiße Geld machen lässt.

Verknappung für Marken – und Macher

Das Phänomen kann geradezu mythisch-religiöse Ausmaße annehmen: Nichts wird mehr herbeigesehnt und verehrt als die abwesende Gottheit. Bei Nietzsche war das noch Dionysos. Mutatis mutandis gilt das für jeden Messias, Heilsbringer, Erlöser – von was auch immer.

Demgemäß machen sich das geborene Charismatiker mit einem Gespür für die Grundkenntnisse der Psychologie zunutze, ob sie nun als Politiker, Popstars oder Prominente ihren Auftritt hinauszögern und wohldosieren. Sie treten erst auf, wenn das Publikum bereits versammelt ist, wenn Vorgruppen oder Animateure, zumindest aber Moderatoren, bereits die Stimmung ein wenig angewärmt haben, „der Markt” also geschaffen und geöffnet worden ist.

Sie sind auch nichts als ein Artikel, als ein Angebot, das ein Anbieter zu Markte trägt. Es sind die gleichen, die nach der Show als letzte auf der Party erscheinen, und die ersten, die wieder gehen, weil „sie noch wohin müssen”, weil da „noch andere” warten. Irgendwo. Bei Thomas Gottschalk waren es die VIPs, die alle nach ihrer Wette sofort auf ihren Flieger mussten, wohin auch immer der an diesem Abend noch fliegen sollte.

Das Sprichwort „Willst du was gelten, mach dich selten” hat sich hier als wahr erwiesen. Umgekehrt hat keiner den Wert dieser Stars schmählicher gemindert als Markus Lanz, der seine Gäste auch noch in Hasenkostüme steckte, zu Statisten herabwürdigte und sie damit wie billige Bustickets entwertete. Hier wäre Verknappung dringend geboten gewesen, auch wenn sie die Show „Wetten, dass …” wohl kaum gerettet haben würde.

Eine Knappheit, zwei Kampagnen

Aber wer richtig auf der Klaviatur der Knappheit zu spielen versteht, weiß sie auch in Kampagnen umzusetzen. Wie? Mon Cherie gibt es gerade nicht? Das Ü-Ei ist in der Sommerpause? Dann spielt der Anbieter eben mit der Verfügbarkeit: „Jetzt kaufen. Noch schnell einen Vorrat anlegen.” Und: „Bald wieder da. Ab Soundsovieltem wieder in Ihrem Kühlregal.” Zwei Chancen, den Absatz künstlich hochzutreiben. Die Überzeugungskraft beider Termine ist schlagend, dafür braucht niemand seinen Robert Cialdini gelesen zu haben.

Es sind eben Angebote, die man nicht ausschlagen kann, um es einmal mit Vito Corleone, auch einem PR-Manager mit durchschlagender Überzeugungskraft, zu sagen. Selbst die Anbieter von Klorollen haben mit diesen Gesetzmäßigkeiten der Verknappung gespielt, als sie Informationen lancieren ließen, mit der Produktion nicht mehr hinterherkommen zu können, solange es an Altpapier fehle. Vermutlich sind bei dieser Nachricht gleich wieder einige Kunden mehr in die Supermärkte gestürmt, um sich zu prügeln.

Knappheit gilt es, durch Kommunikation zu kompensieren

Das lenkt den Blick auf das entscheidende Faktum: Bei aller künstlichen oder durch reale Umstände verursachten Knappheit: Es gilt, in den Köpfen der Kunden zu bleiben – oder in überhaupt die Köpfe der Kunden zu kommen. Deshalb muss das knappe Konsumgut durch ein Mehr an Kommunikation kompensiert werden.

Was zählt, sind Inhalte. Informationen. Das, was nicht da ist, muss als dringend präsent und vorhanden dargestellt werden, als begehrenswert, dringend notwendig, unverzichtbar. Man muss es wollen sollen und haben können, egal zu welchem Preis. Daher hagelt es dann auch Angebot auf Angebot.

Denn die Menschen wollen verstehen, was ihnen da entgeht, warum sie es zwar haben wollen sollen, aber warum es das eben auch wert ist. Bei Mon Cherie ist es die Piemont-Kirsche. Bei dem Ü-Ei ist es die Überraschung, die besonders in jedem siebten Ei dann und wann durch ein besonderes Angebot aufgewertet wird. Und bei der Klorolle? In diesem Fall ist es wohl eher die Information, das kein echter Mangel besteht.

Wenn Anbieter, Artikel und Angebot perfekt auf Kunden abgestimmt sind

Doch das Ausspielen dieser Informationen setzt eine Kommunikationsstrategie voraus, so wie es vorgängig eine Verknappungsstrategie geben muss. Anbieter, Artikel und das Angebot müssen für die Kunden gleichermaßen relevant sein. Für die Frau mit Stil um die 40 ist es nicht einfach eine Kirschwasserpraline, es muss schon die Marke von Ferrero sein, im September.

Dafür ist sie auch bereit, den höheren Preis zu zahlen. Weil es eben nicht nur ein Produkt, irgendein Produkt, sondern ein ganz spezielles Produkt ist. Weil es eben nicht einfach nur um Nutzung geht, sondern um einen Nutzen, eigentlich einen Wert, nämlich einen Mehrwert. Weil es genau diese Angebote sind, dank denen wir uns selbst ein bisschen besser, wertvoller fühlen, weil wir ein paar Cent mehr für die Tafel Schokolade bezahlt haben.

Weil es genau dieser Unterschied ist, der uns zu Menschen, also echten Menschen macht. Nur damit wir uns hier richtig verstehen: Das ist nicht meine Meinung, es scheint das zu sein, was die Arroganz der Menschen ausmacht.

Es geht darum, Knappheit kreativ zu kompensieren

Was bedeutet das nun für Sie? Was ist die Nutzanwendung dieses Artikels für Sie? Die Moral von der Geschichte? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Nur wenn ich ein – sagen wir mal z. B. – Unternehmer wäre, oder – auch nur z. B. – Produktmanager und ich hätte ein Produkt, dessen Wert ich für meine Kunden steigern wollte, dann wäre Verknappung durchaus ein Mittel, das ich in Betracht ziehen würde.

Und sei es auch nur, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht lieferbar sein sollte. Und genau in diesem Augenblick würde ich mich fragen, wie kann ich den Wert steigern? Wie kann ich in den Köpfen meiner Kunden bleiben? Wie kann ich mein Produkt besser gegen andere, vergleichbare Produkte ausspielen? Und ich würde über Kommunikationsstrategien nachdenken, über zwei Kampagnen, darüber, wie Informationen, Inhalte medial breit gestreut, aber zielgerichtet genau den Kunden zugespielt werden, die „heiß auf den Scheiß” – ich bitte nochmals um Entschuldigung für die Wortwahl – sind, aber genau hier sind wir wieder beim Klopapier.

Denn genau in diese Lücke ist der findige Konditor gestoßen, der sie in Kuchenform an den Mann und die Frau brachte. Er hat die Knappheit mit einer – wenn man so will – künstlichen Kompensation gefüllt und damit alle Mäuler gestopft, die nach mehr Papier schrien. Das war eine kreative Lösung. Und genau die braucht es, wenn Knappheit kommunikativ kompensieren werden soll.

Künstliche Verknappung auf den Punkt gebracht

Aus irgendeinem Grund sind Sie auf diesen Artikel gestoßen. Und der plausibelste Grund ist: Sie haben nach „künstliche Verknappung” gegoogelt. Dieser Artikel ist also genau für Sie geschrieben worden. Damit Sie ihn finden.

Sollten Sie also das Gefühl haben, dass dieser Artikel Ihnen nichts, aber auch gar nichts gebracht hat, weil Sie doch mehr über künstliche Verknappung hatten erfahren wollen, sollten Sie bedenken, dass Sie diesen Artikel vielleicht nicht deshalb gefunden haben, weil er Ihnen genau die Inhalte bietet, die Sie damit verbunden haben, sondern vielmehr den richtigen Anbieter von Kommunikationsstrategien, die zu Ihrer Verknappungsstrategie passen.

Wenn das tatsächlich der Fall ist, sollten Sie sich am besten jetzt mit uns in Verbindung setzen. Ansonsten hoffen wir, Sie wenigstens ein bisschen unterhalten zu haben. Vielleicht sogar gut.

 

Christoph Siwek

Kreativberatung / Group Head Text
christoph.siwek@schindlerparent.de

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